Von den 122 Millionen Pferden weltweit sind höchstens 10% klinisch gesund. Ca. 10% (12,2 Mio.) sind klinisch unnutzbar lahm. Die restlichen 80% (97,6 Mio.) dieser Pferde sind etwas lahm ... und haben den Gesundheitstest nicht bestanden.

Zitat: American Farriers Journal, November 2000, Vol. 26 #6, Seite 5

 

 

Wer gut mit Pferden umgehen kann hört sie sprechen, wer sehr gut mit Pferden umgehen kann hört sie flüstern, wer nicht mit ihnen umgehen kann hört sie noch nicht einmal schreien.

 

 

 

 

 

 

"Bewegung kann nur durch noch mehr Bewegung ersetzt werden."

Zitat: Detlev Urban, Inhaber des Barhuf-Instituts, Deutschland

 

 

 

 

 

 

Das Lauftier Pferd

Jedes Tier wird sich umso besser entwickeln und seine Gesundheit und natürlichen Anlagen und Fähigkeiten erhalten können, je mehr seine Lebensumgebung seinen ursprünglichen, natürlichen Lebensbedingungen entspricht. Jede Form von Tierhaltung ist zwangsweise eine Einschränkung dieser Bedingungen. Sie sollte jedoch so gering wie möglich sein. Um diesem Ziel immer besser gerecht werden zu können ist der Blick möglichst genau und umfassend auf die wildlebenden Verwandten zu richten. Gerade beim Pferd ist dies sehr leicht möglich. Alle heute wild lebenden Pferde sind keine ursprünglichen Wildpferde sondern es handelt sich ausnahmslos um ausgewilderte Hauspferde. Egal ob es sich dabei um die nordamerikanischen Mustangs, die Carmague-Pferde in Südfrankreich, die Pferde der Namib-Wüste in Afrika oder die australischen Brumbies handelt. Diese Tiere sind also (genetisch) viel näher an ihren domestizierten Vettern als es bei irgendeinem anderen Haus- bzw. Nutztier der Fall ist.

Wildpferde in Utah

Fluchttier

Beim Pferd handelt es sich um ein typisches Beutetier. Es zählt zu den Fluchttieren, die bei Gefahr ihr Heil in der Flucht vor dem Feind suchen. Dementsprechend sind seine Anlagen und seine Physiologie ausbildet. Pferde sind ständig fluchtbereit. Um aber ständig fluchtbereit sein zu können findet die Nahrungsaufnahme ganz anders statt als bei anderen Pflanzenfressern wie z.B. Rindern und Büffeln. Diese sind Wiederkäuer - d.h. sie nehmen am Stück große Mengen Nahrung auf, haben einen (bzw. mehrere) demensprechend großvolumigen Magen und verdauen die Nahrung langsam in Ruhe beim Wiederkauen. Mit vollem Magen rennt es sich bekanntlich schlecht. Bei Pferden ist der Magen daher - im Vergleich zur Körpergröße - sehr klein. Das Pferd kann also immer nur kleine Mengen an Nahrung aufnehmen und verdaut diese viel zügiger. Der Aufschluss der Nährstoffe erfolgt im Darm und benötigt dafür entsprechend Zeit. Damit das Tier genügend Nährstoffe erhält sind dementsprechend lange Fresszeiten mit kontinuierlicher Nahrungszufuhr nötig.

Bewegung und Fresszeiten

Pferde fressen - wieder völlig anders als viele andere Pflanzenfresser - sehr selektiv. D.h. sie fressen nicht in "Rasenmähermanier" alles ab sondern suchen sich sehr genau die Halme aus, die sie aufnehmen wollen. Dazu befinden sie sich ständig in langsamer Bewegung. Knabbern - gehen - knabbern usw. Das geht beim Wildpferd im Durchschnitt 16 - 18 Stunden täglich. Dabei ist es bei weitem nicht so, dass die Tiere nur tagsüber fressen und nachts schlafen. Im Gegenteil, die Fresszeiten verteilen sich ebenso wie die Ruhephasen und die Zeit für Spielen, Toben, Rangkämpfe, Fortpflanzung, Wasseraufnahme, gegenseitige Fellpflege und Sozialkontakte auf die gesamten 24 Stunden der Tageszeit. Kontinuität (und Gewohnheit) bestimmt das Leben in der Herde der Wildpferde.

Futterangebot

Wildpferde sind erster Linie Steppenbewohner. D.h. ihr Futterangebot ist eher karg und wenig nährstoffeich. Es handelt sich um harte Gräser die in den Steppen, Prärien und in den Bergen wachsen. Also viel Raufutter - ganz wenig sogenanntes fettes Futter wie wir es auf den hierzulande üblichen Weiden zumeist antreffen. Darauf ist ihr Verdauungssystem, genau wie das ihrer domestizierten Vettern, ausgerichtet.

Die Nahrungs- wie auch die Wasseraufnahme geschieht ausschließlich vom Boden. Dies ist die einzige, physiologisch richtige, Fresshaltung für das Pferd. Nur dann sind die Laden der Kiefer übereinander und gewährleisten gleichmäßige Abnutzung der Zähne, nur dann befinden sich Maul, Schlund, Kehlkopf und Speiseröhre in einer offenen Linie. Bei allen anderen Fresshaltungen - namentlich mit erhobenen Kopf - muss das Pferd praktisch "um die Ecke" schlucken. Zudem stehen die Kiefer nicht übereinander, Zahnprobleme sind die bekannte Folge.

Das jahreszeitlich schwankende Futterangebot hat scheinbar gewaltige Gewichtsunterschiede zur Folge. Differenzen im Gewicht von bis zu 20% der Körpermasse sind durchaus normal und bedeuten keinerlei krankhaften Zustand. Die Tiere sind dabei absolut leistungsfähig und legen im Mittel pro Tag 15 - 30 km Laufleistung zurück. In Extremsituationen - etwa bei Futtermangel, sehr schlechten Wetterbedingungen usw. - können es auch um die 100km/Tag sein. Diese Bewegung hält die Tiere gesund und leistungsfähig.

Darmtätigkeit

Die oben angesprochenen Bedingungen, insbesondere das kontinuierliche Fressen über den größten Teil des Tages, haben natürlich physiologische Auswirkungen. Den Hauptanteil des Aufschlusses der Nahrung leistet der Darm, mit seinen Enzymen und der Darmflora, also den im Dickdarm angesiedelten Bakterien. Dieses gesamte System ist auf kontinuierlichen Betrieb ausgelegt. (Im Mittel beträgt der Nahrungsdurchlauf durch den Pferdekörper von Fressen bis zum Ausscheiden ca. 35 - 48h). Wenn ein Pferd lange Fresspausen einlegen muss beginnt die Darmflora abzusterben. Das beginnt bereits nach etwa 4 Stunden. Verdauungsprobleme, Überbelastung von Leber und Nieren bei der "Entsorgung" der Bakterienleichen, sind die direkte Folge.

Konsequenzen

Jaime Jackson nennt das oben skizzierte in seinem Buch die "Lektionen aus der Wildnis". Sie zeigen uns auf, wie Pferde gehalten werden müssten, um gesund zu sein. Ständiges Futterangebot, viel Sozialkontakt und kontinuierliche Bewegung über 16 - 18 Stunden pro Tag sind die Anforderungen. Doch Mr. Jackson ging auch in die Stationen, in denen die Mustangs jährlich eingefangen werden und zum Verkauf bzw. zur Adooption angeboten werden. Während er bei den wilden Pferden keinerlei Hufprobleme o.ä. Krankheiten feststellte (abgesehen von Verletzungen) zeigten die eingefangenen Tiere nach wenigen Wochen bereits erste Hufdeformationen und krankhafte Veränderungen. Woher rührte dies? Die eingefangenen Pferde lebten in Corrals - also abgekoppelten Bereichen - und zu bestimmten Zeiten kam ein Futterwagen, der an bestimmten Stellen das Futter bereitstellte. Die unmittelbare Folge: Die Tiere hielten sich genau da auf, wo das Futter zu erwarten war. Die gesund erhaltende Bewegung fand lange nicht mehr im bisherigen Maße statt und die Tiere wurden krank.

 

Herkömmliche Haltungen

Hier soll nur ein kurzer (und damit unvollständiger) Blick auf die bisher zumeist üblichen Haltungskonzeote geworfen werden. Es ist klar, dass neben diesen Konzepten diverse Kombinationen praktiziert werden. Dies hat jedoch keinen nennenswerten Einfluss auf die gemachten Aussagen.

Ständerhaltung

Vorweg, diese Haltungsform ist reine Tierquälerei und ist absolut indiskutabel. Sie stammt aus vergangenen Jahrunderten und wurde vor allem bei der Kavallerie (Militärreiterei) und in der Landwirtschaft praktiziert. Beide Bereiche haben eines gemeinsam: Die Tiere wurden den größten Teil des Tages zur Arbeit herangezogen und hatten so zumindest einigermaßen Bewegung. Im Ständer - einer Unterteilung in zumeist großen Stallanlagen - befand sich das Pferd auf einer Fläche die nur wenig größer als das Tier selbst war. Angebunden, vor sich eine Futterraufe und eine Tränke. Bewegung ist unmöglich.

Diese Form der Haltung ist in vielen Bundesländern in Deutschland richtigerweise untersagt. Leider immer noch nicht allen ....

 

Boxenhaltung

Boxenhaltung In Boxen gehaltene Pferde sind nur unwesentlich besser dran als Ständerpferde. Sie sind nicht angebunden und können sich im Rahmen der Box frei bewegen. Dennoch hilft dies nicht viel. Box wie auch Ständer werden üblicherweise mit Stroh ausgestreut. Zumeist in Form der sogenannten Matratze. Diese saugt die Ausscheidungen, vor allem den Urin der Tiere, auf. Aus dem im Urin enthaltenen Ammoniak bildet sich durch chemische Reaktion mit der Luftfeuchtigkeit Ammoniaklauge. Diese ist ätzend und giftig. Namentlich greift sie die Hornsubstanz der Hufe an, schädigt die Atmungsorgane, vor allem die Schleimhäute. Selbst mehrfaches Misten am Tag kann das nur marginal verbessern - wo aber wird mehrfach am Tag gemistet? Dazu kommt, dass das Pferd als Fluchttier ständig seine Umgebung wachsam im Auge haben möchte. Dies kann es jedoch nur, wenn es über die Boxenwand schaut - also den Kopf oben hat und nicht in der entspannten bodennahen Haltung wie es seiner Natur entspräche. Die mangelnde Bewegung führt zwangsweise zu Huf- und Gelenkproblemen. Die Hufe beginnen sich durch das lange Stehen zu verformen, die Funktion der Blutpumpe im Huf kommt nicht mehr zum Tragen, Unterversorgung des Organismus mit Nährstoffen ist die unmittelbare Folge. Auch diese Haltungsform ist konsequent abzulehnen. Dies umsomehr da sie leider in Deutschland nach wie vor die vorherrschende Art und Weise der Pferdehaltung darstellt. In den Ställen herrschen in der Regel relativ konstante Temperaturen. Das Tier ist also nicht mehr gezwungen seine natürlichen Mechanismen zur Temperaturregelung hinreichend zu trainieren. Ergo, diese Funktionen verkümmern und das Pferd wird anfällig für Temperaturschwankungen. Insbesondere Belastungssituationen mit Schwitzen können für das Tier gefährlich werden da es selbst nicht mehr in der Lage ist, seinen Temperaturhaushalt zu regulieren.

Offenstall/Weidehaltung

Dieser Form der Haltung ist in jedem Fall der Vorzug zu geben. Leider gewährt Offenstall- und/oder Weidehaltung allein noch lange keine pferdegerechte Haltung. Die Robushaltung rund um die Uhr an frischer Luft ist grundsätzlich erst einmal das, wofür das Pferd eingerichtet ist. Dabei ist allerdings zu beachten, dass im Gegensatz zu den Wildpferden die domestizierten Artgenossen keine Möglichkeit haben, Witterungsunbilden durch Wanderung zu entgehen. Sie benötigen also hinreichend Schutzmechanismen für jedes Mitglied der Herde. Auch das rangniedrigste Tier muss bei Sturm, Hagel, Schneefall usw. eine Unterstellmöglichkeit finden aus der es nicht durch höherrangige Tiere vertrieben wird. Diese Unterstände müssen so beschaffen sein, dass sie Pferden auch die Flucht daraus auf einem zweiten Wege erlauben wenn der erste Zugang durch ein hochrangiges Pferd verstellt ist. Andernfalls sind Verletzungen vorprogrammiert. Ähnlich verhält es sich mit den Anreizen zur Bewegung. Die üblicherweise verwendeten Futterraufen führen in der Regel dazu, dass erstens die Pferde daherum "stehen" statt sich zu bewegen und zweitens die rangniederen Tiere zu wenig Gelegenheiten zur Futteraufnahme erhalten. Für die Tränken gilt das gleiche. Bei der Weidehaltung kommt noch hinzu, dass die üblichen Weiden oft mit Gräsern/Futtermischungen angesät sind, die eigentlich für die Milchviehwirtschaft gezüchtet wurden. Mithin viel zu fett (=nährstoffreich und zuckerhaltig) für Pferde sind. Auch hier sind Erkrankungen bis hin zur Rehe (Laminitis) oftmals die unmittelbare Folge.

Probleme

Wie oben bereits angesprochen resultieren aus den traditionellen Haltungskonzepten vielfältige Probleme für die Pferde. Diese sind oft scheinbar verdeckt weil man überall das gleiche oder ähnliche Schema sieht. Die wichtigsten Probleme sind:

  • Fütterungsprobleme

    fehlendes ständiges Angebot an Raufutter führt zu Verdauungsproblemen (-> Darmflora), statische Futterstellen erzeugen Bewegungsmangel

  • Bewegungsmangel

    hat unmittelbar eine ganze Reihe von Problemen zur Folge, an erster Stelle sind die Hufprobleme zu nennen, Stoffwechselprobleme schließen sich an, verminderte Leistungs- und Gebrauchsfähigkeit bzw. kranke Tiere sind die Folge

  • fehlender Sozialkontakt

    führt ebenfalls zu kranken und verhaltensauffälligen Tieren

  • Ammoniak

    und zu wenig frische Luft, sowie das ständige Hineintreten in den eigenen Dung bewirken Probleme bei der Atmung, Erkrankungen der Schleimhäute und wiederum Hufprobleme durch Zerstzung des Horns durch die Ammoniak-Lauge

  • unsinniger Arbeitsaufwand

    alles was an Stroh in Form von Einstreu beschafft, gelagert und eingestreut wird muss wieder gemistet, zwischengelagert und entsorgt werden. Dies bedeutet viel Arbeitsaufwand und Kosten die durch sinnvolle und gesunde Haltungskonzepte eingespart würden.